Geringfügiges Verschulden des Arbeitgebers trotz Fehlens eines funktionierenden Kontrollsystems
Es entspricht grundsätzlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof, dass bei Fehlen eines funktionierenden Kontrollsystems zur Verhinderung von Verwaltungsübertretungen durch die Arbeitnehmer nicht von einem geringfügigen Verschulden des Arbeitgebers als Verantwortlichen ausgegangen werden darf. In einer aktuellen Entscheidung ging der VwGH zwar von dieser Rechtsauffassung nicht ab, sah es vielmehr als vereinbar und damit nicht als unvertretbar an, dass insbesondere auf Grund einer zeitnah ausgesprochenen Kündigung des Arbeitnehmers bei der Strafbemessung von einem geringfügigen Verschulden des Arbeitgebers ausgegangen werden konnte (VwGH vom 05.07.2021, Ra 2020/11/0145).
Im gegenständlichen Verfahren wurde über einen handelsrechtlichen Geschäftsführer einer GmbH eine Verwaltungsstrafe verhängt, da es ein Arbeitnehmer der GmbH als Lenker eines Kfz unterlassen hat im digitalen Fahrtenschreiber bestimmten Eintragungen vorzunehmen und dadurch Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) verletzt wurden. Der Arbeitnehmer galt als erfahren und wurde überdies erst kurz zuvor durch den Arbeitgeber in der Handhabung des digitalen Kontrollgerätes unterwiesen. Das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer wurde auf Grund der Verfehlung zeitnah gekündigt.
Der handelsrechtliche Geschäftsführer erhob gegen die verhängte Verwaltungsstrafe Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht (LVwG). Die Verwaltungsstrafe wurde durch das LVwG in eine Ermahnung abgeändert, da aus Sicht des LVwG im Einzelfall das Verschulden des handelsrechtlichen Geschäftsführer aufgrund der Sanktionierung des Fehlverhaltens durch Kündigung des Arbeitnehmers, als geringfügig anzusehen sei. Gegen diese Entscheidung wurde eine Amtsrevision insbesondere mit der Begründung erhoben, dass die Entscheidung des LVwG im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des VwGH stehe, dass das Fehlen eines schuldbefreienden Kontrollsystems ein geringfügiges Verschulden ausschließe.
Der VwGH wies die Amtsrevision jedoch zurück. Aus Sicht des VwGH hat das LVwG das Fehlen des schuldbefreienden Kontrollsystems ohnedies dadurch sanktioniert, dass der Schuldspruch bestätigt wurde. Der VwGH sah es nicht als unvertretbar an, dass das LVwG das Verschulden des Arbeitgebers bei der Strafbemessung auf Grund der konkreten Umstände – insbesondere vor dem Hintergrund der Verhängung einer der schärfsten Sanktionen des Arbeitgebers – fallbezogen als geringfügig ansah und daher im Rahmen der Strafbemessung die Erteilung der Ermahnung ausreichend erachtete, um den Geschäftsführer zukünftig von weiteren gleichartigen strafbaren Handlungen abzuhalten.
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